Unser Leben und Verhalten verändern den Atem und unser Atem verändert unser Leben. Der Atem ist ein Spiegel, er ist formbar zum Guten wie auch zum Schlechten. Lebensgewohnheiten können unsere Atemgewohnheiten prägen. Stress, Sorgen, Ängste oder ein Trauma können die Atmung in eine unnatürliche, dysfunktionale Richtung lenken, mit zum Teil drastischen Folgen.
Dysfunktionale Atemmuster gibt es viele, z.B. Atmen durch den Mund anstatt durch die Nase, die energiefressende Brustatmung statt entspannter Zwerchfellatmung, beschleunigter anstelle ruhigem und langsamem Atemfluss, harte Atmung mit unphysiologischen Unterbrechungen anstelle des weichen und regelmäßigen Fließens, Schnarchen statt stillen Schlaf…
Es wird oft gewohnheitsmäßig mehr geatmet als notwendig, die chronische Hyperventilation. Fast eine Milliarde Menschen leiden an obstruktiver Schlafapnoe (OSA) mit Auswirkungen auf das Herz-Kreislaufsystem und das Nervensystem. Immer mehr Menschen finden keinen erholsamen Schlaf. Überatmung führt zu Stress, durch Stress kann der Blutdruck steigen und es wird mehr Glukose ausgeschüttet, was zu Diabetes führen kann. Stress führt zur Überatmung, Überatmung führt zu CO2-Mangel, CO2-Mangel führt zur Verengung der Blutgefäße und somit zu einer Reduzierung der Durchblutung. CO2-Mangel verringert aber auch die Abgabe von Sauerstoff an die Zellen, Gewebe und Organe, dies alles führt zu Symptomen und Krankheiten.
Neugeborene atmen durch die Nase, leise, kaum hörbar und genau auf die eigenen Bedürfnisse abgestimmter Rhythmus. Die Mundatmung ist immer nur ein Ausnahmefall, z.B. bei physischer Belastung wie beim Sport. Der Atem geht in den Bauchraum, das Zwerchfell wird bewegt. Brustatmung geschieht in Ausnahmefällen. Der Atem geht langsam in einem fließenden Rhythmus, die Ausatmung ist etwas länger als die Einatmung, nach der Ausatmung erfolgt eine kurze, natürliche Atempause. Die Ausatmung geschieht passiv. Es ist eine leise, sanfte Atmung, das Atemvolumen ist nicht zu groß.
Richtiges Atmen beginnt in der Nase. Die Nase ist durch die Flimmerhärchen und Schleimhautschichten die Hauptverteidigungslinie gegen unerwünschte Eindringlinge. Schmutz, Staub, Pollen, Keime und so weiter können weniger in den Körper eindringen, wenn der Mensch durch die Nase atmet. Folgen der Mundatmung sind Austrocknung der Atemwege, es können auf den trockenen Schleimhäuten entzündliche Prozesse entstehen, die Schleimbildung wird vermehrt, was die Atemwege verengt. Die Atemwege können auskühlen, das beeinträchtigt die gesamte Körpertemperatur. Die Reinigung der Atemluft geht bei der Mundatmung völlig verloren, Staub, Pollen, Erreger, Viren können ungehindert in tiefe Regionen eindringen.
NO (Stickstoffmonoxid) wirkt ähnlich wie CO2, es ist gefäßerweiternd, nimmt den Druck von den Gefäßwänden und beugt somit Herz-Kreislauf-Problemen vor. NO senkt besonders nachts den Blutdruck, was für einen erholsamen Schlaf wichtig ist. NO unterstützt die Übertragung von Nervenimpulsen, es wirkt antibakteriell und antiviral. NO zerfällt schnell im Körper, der Körper stellt es dort her, wo es gebraucht wird. Die Lunge benötigt NO, es wird in den Nasennebenhöhlen gebildet und dort der Atemluft zugeführt: VORAUSSETZUNG ist die Nasenatmung!
Zunächst müssen wir uns unsere Atemmuster bewusst machen. z.B. Ist die Atmung anstrengend? Ist die Atmung hörbar? Atmung durch den Mund im Ruhezustand? Räuspern oder Husten, um den Hals zu reinigen? etc. Mit diesen und noch mehr Fragen wird ein Atemscore ermittelt, bei dem die Intensität von 0-3 Punkten ermittelt wird. Atembeobachtung ist wichtig, am besten nimmt man den Atem wahr beim aufrechten Sitzen mit geschlossenen Augen.
Atmen durch den Mund? Wo liegt die Zunge? Wohin fließt der Atem? Atmung durch das rechte oder linke Nasenloch? Atempausen?…
Buteyko-Methode heißt, wir atmen ganz natürlich entspannt durch die Nase, der Atem fließt passiv heraus, dann gehen wir in eine Atempause, bis der Körper wieder ein Signal zur Einatmung gibt. Die Atempause wird in der Buteyko-Praxis gemessen (Kontrollpause CP). Bei Stress, Brustenge, Panikattacken, Schlaflosigkeit, Schnarchen etc. werden die belastenden Symptome deutlich besser, wenn am Morgen der CP sich auf 25 Sekunden einpendelt. Viele Menschen haben einen Morgen-CP unter 10, es bedarf einiger Übung und Atemwahrnehmung, um diesen Wert zu steigern. Ein CP von 25 Sekunden sollte das Minimalziel sein.
Asthma: Aus der Buteyko-Perspektive atmen Asthmatiker das Doppelte oder Dreifache von einem normalen Minutenvolumen von etwa 5 Litern. Sie sind chronisch überatmet. Asthmatiker leiden unter chronisch unterkühlten Atemwegen, die ausgetrocknet und entzündet sind, es wird mehr Schleim gebildet, was zusätzlich die Atemwege einengt. Durch diese Verengung fällt das Atmen schwer oder eine akute Luftnot entsteht. Laut Buteyko ist dies ein Schutzmechanismus gegen chronische Hyperventilation und deren gefährliche Folgen. In der Buteyko-Praxis geht es darum, den Atem wieder auf ein Normalmaß mit Nasenatmung zurückzufahren. Asthmatiker brauchen dann deutlich weniger Medikamente, Allergiker reagieren nicht mehr so stark, Panikattacken treten weniger auf, der Schlaf verbessert sich.
(Quelle: Ralph Skuban, Die Buteyko-Methode, 2020)
Comments